🧠 Neuroplastizität – das Gehirn kann sich verändern
Was bedeutet das?
Neuroplastizität beschreibt die Fähigkeit unseres Gehirns, sich ständig zu verändern. Neue Erfahrungen, gezielte Übungen oder therapeutische Impulse können alte, stressfördernde Muster auflösen und neue, unterstützende Verknüpfungen entstehen lassen.
Dazu gehört auch die Möglichkeit, alte Symptompfade oder Schmerzbahnen im Gehirn umzubauen. Wenn das Gehirn lernt, bestimmte Reize nicht mehr als Gefahr oder Schmerz zu interpretieren, können sich körperliche Empfindungen verändern – und die Stressantwort des Nervensystems wird entlastet.
Was hat das mit ME/CFS zu tun?
Bei ME/CFS ist das Nervensystem oft dauerhaft überreizt oder blockiert. Über neuroplastische Prozesse können Entlastung und neue Selbstregulation möglich werden – etwa durch den Abbau innerer Antreiber, übermäßiger Wachsamkeit oder ständiger Selbstüberforderung. Auch die Wahrnehmung von Symptomen kann sich dadurch langfristig verändern, wenn das Gehirn Sicherheit statt Bedrohung registriert.
🌿 Polyvagal-Theorie – das Nervensystem verstehen
Was bedeutet das?
Die Polyvagal-Theorie des Neurowissenschaftlers Stephen Porges erklärt, wie unser autonomes Nervensystem zwischen Verbindung, Alarmbereitschaft (Kampf/Flucht) und Schutz (Erstarrung/Shutdown) hin und her schaltet. Im Mittelpunkt steht der Vagusnerv, der maßgeblich daran beteiligt ist, ob wir uns ruhig, verbunden und sicher fühlen – oder im Überlebensmodus.
Ein zentraler Begriff ist die Neurozeption – unser unbewusstes „Sicherheitsscanning“. Das Nervensystem entscheidet automatisch, ob eine Situation sicher oder gefährlich ist – ganz ohne bewusste Bewertung. Ist dieser Prozess gestört, kann selbst eine eigentlich ungefährliche Situation Stress, Anspannung oder Rückzug auslösen.
Was hat das mit ME/CFS zu tun?
Bei ME/CFS ist das autonome Nervensystem oft in einem dieser Überlebensmodi „hängen geblieben“ – entweder in ständiger Kampf-/Fluchtbereitschaft oder im sogenannten dorsalen Shutdown, einem Zustand von Rückzug, Erstarrung und tiefer Erschöpfung.
Ein zentraler Schlüssel zur Genesung liegt darin, die natürliche Schwingfähigkeit des Nervensystems wiederherzustellen – also die Fähigkeit, flexibel zwischen Aktivierung und Entspannung zu wechseln. Die Arbeit mit der Neurozeption unterstützt dabei: Wenn wir lernen, Sicherheit im Körper zu spüren – z. B. durch bewusste Wahrnehmung, Halten und Erlauben innerer Zustände – kann das Nervensystem sich neu organisieren.
🔁 Pain Reprocessing Therapy – Schmerz neu verstehen lernen
Was bedeutet das?
Die Pain Reprocessing Therapy (PRT) wurde unter anderem von Dr. Howard Schubiner entwickelt. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass viele chronische Schmerzen – besonders wenn keine strukturellen Schäden vorliegen – nicht im Gewebe, sondern im Gehirn entstehen. Das bedeutet: Das Gehirn „lernt“ Schmerz – und es kann auch lernen, ihn wieder loszulassen.
PRT hilft dabei, die Angst vor Symptomen zu verringern, das Nervensystem zu beruhigen und durch neue Erfahrungen Sicherheit im Körper zu verankern. Sie verbindet Aufklärung mit gezielter Umfokussierung der Aufmerksamkeit und sanfter Reprogrammierung.
Was hat das mit ME/CFS zu tun?
Viele Symptome bei ME/CFS – wie Schmerzen, Erschöpfung, Schwindel oder Überreizung – können durch ein überempfindliches Warnsystem im Gehirn verstärkt werden. PRT setzt genau dort an: Es hilft, die neurologische Alarmbereitschaft zu verringern und dem Gehirn neue Botschaften von Sicherheit zu senden. So können Symptome nach und nach ihre Intensität verlieren.
🌱 Salutogenese – Gesundheit trotz Belastung
Was bedeutet das?
Die Salutogenese (nach Aaron Antonovsky) fragt nicht: „Warum wird ein Mensch krank?“, sondern: „Was erhält uns gesund – selbst unter schwierigen Bedingungen?“
Im Zentrum steht das sogenannte Kohärenzgefühl: Das Leben wird als verstehbar, handhabbar und sinnvoll erlebt – ein starker Schutzfaktor für unsere Gesundheit.
Was hat das mit ME/CFS zu tun?
ME/CFS wird oft als unkontrollierbar und rätselhaft erlebt. Die Salutogenese unterstützt dabei, wieder Orientierung zu finden, innere und äußere Ressourcen zu erkennen – und damit das Gefühl zurückzugewinnen, dem eigenen Erleben nicht ausgeliefert zu sein. Das stärkt nicht nur die psychische Stabilität, sondern auch die Selbstregulationsfähigkeit des Nervensystems.
⚖️ Psychoneuroimmunologie – alles hängt zusammen
Was bedeutet das?
Die Psychoneuroimmunologie erforscht die Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nervensystem, Hormonen und Immunsystem. Sie zeigt: Chronischer Stress kann Entzündungen begünstigen und unser Immunsystem beeinträchtigen – umgekehrt können körperliche Entzündungen auch unsere Stimmung und unser Denken beeinflussen.
Was hat das mit ME/CFS zu tun?
ME/CFS ist eine Erkrankung, bei der oft genau diese Systeme aus dem Gleichgewicht geraten sind. Die Psychoneuroimmunologie macht deutlich, dass ein ganzheitlicher Blick nötig ist – und dass Regulation auf einer Ebene (z. B. im Nervensystem) positive Effekte auf andere Systeme haben kann. Das erklärt auch, warum manche Methoden, die Körper und Psyche einbeziehen, so wirkungsvoll sein können.
💬 Zum Abschluss
Gesundheit ist nicht entweder „körperlich“ oder „psychisch“.
Bei ME/CFS geht es um ein fein abgestimmtes Zusammenspiel – zwischen Nervensystem, Immunsystem, innerer Verarbeitung und äußeren Belastungen.
Diese Konzepte helfen dabei, die Erkrankung besser zu verstehen – und neue Wege der Regulation und Erholung zu entdecken.